The Superman/ Pearl Lines —Kunstverein Köln

Der Kölner Kunstverein stellt zwei aufstrebende junge amerikanische Künstler mit ganz unterschiedlichem Profil aus: den mit verschiedenen Medien arbeitenden Alex Da Corte, der hier mit einer Video-Installation vertreten ist, und Walter Price, dessen Ausdrucksmedium Malerei und Zeichnungen sind, die im Kunstverein erstmalig in Deutschland in einer umfassenden Ausstellung zu sehen sind. Ästhetik und unterliegendes Thema der Werke beider Künstler stehen im starken Gegensatz: während Alex da Corte über Gesamtinstallationen in schriller Gestaltung die Komplexitäten der heutigen Konsumwelt und die Bedingungen der menschlichen Wahrnehmung erforscht, sind Prices Werke in gedeckten Farben von einem verworrenen Universum schwer dechiffrierbarer Figuren und Objekten bevölkert, mit dem er auf Emotionen und Erfahrungen sowie historische Entwicklungen verweist. Beide konstruieren Welten, die über unsere natürliche Umwelt hinausgehen.

Da Corte zeigt in der großen Halle des Kunstvereins 4 filmische Arbeiten, die 2013 konzipierte Arbeit ,,True Life“ , sowie die dreiteilige Arbeit ,,Bad Land“ von 2017, die in Sujet und Ästhetik eine Fortführung des Filmes von 2013 darstellt. In allen Arbeiten tritt Da Corte in der Figur des US-Rappers Eminem auf, der abstruse Handlungen durchführt, wie Cornflakes zu essen, Playstation-Controller zu entwirren, aus selbstgebastelten Bongs zu rauchen oder sich extasisch mit Senf zu beschmieren. Was zunächst banal erscheint, hat jedoch eine psychologische Tiefe, die eng an gesellschaftlich verbreitete Erfahrungen und Bildern anknüpft, die Da Corte durch seine quietschbunte einnehmende Ästhetik und irritierenden Gesten transformiert.

Wer Da Cortes Installation betritt, fühlt sich als würde man in die mit grellen Farben überladene Kulisse eines Videoclips aus den 90ern eintauchen. Der Raum ist in vier farblich unterschiedliche Zonen geteilt, in denen in einem riesigen Quader jeweils eine Videoarbeit gezeigt wird. Die an der Decke angebrachte farbige Neon-Beleuchtung erzeugt auf den eh schon schrillen Boden- und Wandverkleidungen in gelb, lila, orange und grün ein die Umgebung verfremdendes Licht, das durch die gelben Folien, mit denen die Fensterfronten bedeckt sind, noch verstärkt wird. Der den Betrachter teils mit stechend blauen Augen anblickende Eminem, den Da Corte zur Perfektion performt, verfremdet durch seinen seltsamen Umgang Dinge, die eng im Zusammenhang stehen mit der Heilen Welt der amerikanischen Konsumkultur. Cornflakes, Konsolen, Fastfood,  Nike-Turnschuhe und Cola-Flaschen als Bauteile von Haschischpfeifen sind alles Teil einer global verbreiteten Pop-Kultur, die, nicht zuletzt durch das verstörende Ambiente, in einem verzerrten Licht erscheint. Auch die Figur des Eminem, mit dem wir als Künstler einer medial verbreiteten Rap und Hip-Hop Kultur ein festes Image verbinden, erscheint in seinem anfangs zum Rapper fast identischen Verhalten zunehmend ungeschickt, verzweifelt, beinahe durchdrehend.

Da Cortes Arbeit zeigt durch die Transformation bestimmter Figuren und Gegenstände unserer Konsumwelt die starke psychologische Bindung, die wir zu diesen Dingen und Personen als Teil einer für uns klar umgrenzten, positiv besetzten Alltagswelt haben. Cortes Werk balanciert auf unbequeme Weise auf der Grenze zwischen Banalen und Verstörenden. Die mit Symbolen des American Way of Life hantierende Figur des Eminems deckt die Abgründe auf, die unter der Oberfläche unserer Konsumwelt stecken, er zeigt uns ihre Leere, ihre fälschliche Rolle als Haltepunkt und die damit verbundene Verdrängung vieler mit einhergehender Probleme wie Abhängigkeit, Künstlichkeit, Missbrauch und ein insgesamt oberflächlicher Lebensstil. Anfangs lockt uns die aufregende Farbigkeit der Installation, wir meinen eine bunte Welt zu betreten, die sich von unserem Alltag abhebt. Doch das Gegenteil ist der Fall: wir fühlen uns von dem Parcour überfordert und dem stufenweise dämonischen Gestus des Eminem verwirrt, Fluchtgedanken stellen sich ein. In Da Cortes Arbeit sind Disneyland und Dystopie nah aneinander, eine Erfahrung, die auf subtile Weise die Fatalitäten der global regierenden Konsumkultur des American Way of Life reflektiert.

Auch Walter Prices Malereien faszinieren durch das Balancieren auf einer Grenze, nämlich der zwischen Erkennbarem und Rätselhaftem, Definiertem und Formlosem, Narration und Sinnentfremdung. Seine Arbeiten zeigen ein gemeinsames Farbrepertoir aus dunklen, erdigen Tönen, wie Ockerrot, ein tiefes Blau oder Schwarz, das oft im kräftigen Gestus angebracht das hinterliegende Ensemble von Objekten, Lebewesen, Zeichen, Symbolen und Formen verdeckt. Manche dieser Figuren lassen Sonnen oder Monde erahnen, haben die Erscheinung von Gesichtern, Gliedmaßen, Hüten, Gebäudefragmenten oder Autos. Sie lassen sich jedoch nie gänzlich deuten, wie auch die Beziehungen untereinander, in denen sie sich in dem rätselhaften Kosmos in Prices Werken befinden.

Stilistisch lotet Price die Möglichkeiten der Malerei aus, indem er die Bilder teils mit Klebeband oder Papierfetzen beklebt, manches mit Kohle oder Kreide zeichnet, anderes sehr pastös malt, so dass sich die Farbflächen als Struktur abheben und er so die Materialität seiner Werkstoffe erforscht. Gerade die farblich dunkel und figürlich unerkennbar gehaltenen Arbeiten im ersten Geschoss entfalten eine mythische Wirkung. Durch ihre archaischen Formen und starken Gestus erinnern sie an frühe Höhlenmalereien, die ersten figürlichen Darstellungen von Gestirnen, Menschen und Tieren, die wir schemenhaft erkennen, aber in ihrer Symbolik nicht deuten können. Prices Werke sind ein spiritueller Kosmos, der von etwas erzählt, was wir irgendwie teilen, aber doch nicht verstehen.

Die Bilder im 2. Stock erscheinen offener und freundlicher, die düstere Welt lichtet sich hier. Die Arbeiten sind insgesamt farbiger, ein kräftiges Blau durchzieht die Leinwand, Gesichter und Formen sind klarer erkennbar. Aber auch hier stehen wir vor einer unerschließbaren Sprache, die wie Hieroglyphen zwar einzeln erkennbare Figuren vorgibt, aber als Ganzes nicht lesbar ist. Was in Prices Arbeiten besticht, ist die eigene Sprache der Abstraktion, die er entwickelt hat und  die gerade durch ihre scheinbare naive Bildsprache so komplex ist. In seinen Arbeiten lässt sich stilistisch eine tiefe Auseinandersetzung mit den Vertretern der klassischen Moderne in Europa, wie auch der späten amerikanischen Nachkriegskunst ausmachen. Die  Transformierung dieser Vorbilder in einen am Konkreten angrenzendem abstrakten Ausdruck, den es so noch nicht gab, ist das beeindruckendste Element an Prices Werk.

Wie sie in Ästhetik unterschiedlicher nicht sein können, glänzen beide Künstler durch ihre konsequente und radikal umgesetzte Ausdruckssprache, mit der sie jeweils einen eigenen Bereich unserer Wahrnehmungswelt ansprechen, der in beiden Fällen von etwas scheinbar Bekanntem ausgehend auf einmal fremdartige Wege nimmt.

 

Ausstellungsansicht  |  © Kunstverein Köln