Die Natur hat eine überwältigende Schöpfungs- und Zerstörungsraft. Ihre Kreisläufe sind dennoch sehr fragil und werden zunehmend vom Menschen aus dem Takt gebracht. Obwohl die Naturgewalten selbst Infernos wie Vulkanausbrüche und Brände hervorbringen, ist dies wohl nichts gegenüber der menschengemachten Klimakatastrophe. In einer Ausstellung im Polnischen Institut Düsseldorf, die den Titel DAS ENDE WIRD DENNOCH KOMMEN trägt und von Monika Szewczyk kuratiert wurde, setzten sich die Künstler*innen Angelika J. Trojnarski und Michał Smandek auf jeweils unterschiedliche Weise mit dieser Dualität aus Kraft und Fragilität, Schönheit und Bedrohung auseinander, welche die Begegnung mit den Naturgewalten prägt. Obwohl Ästhetik und künstlerische Mittel kontrastieren, vereint Beide das Anliegen, auf die feine Balance zwischen Natur und Menschen hinzuweisen, dich sich bereits an einem Kipppunkt befindet.
In ihren mittel- bis großformatigen, farbintensiven abstrakten Malereien bringt Angelika J. Trojnarski die Faszination zum Ausdruck, die sie persönlich für die Natur empfindet. Die stark gestischen Kompositionen bilden so die Essenz eines breiten Spektrums von Eindrücken, welche die Künstlerin auf Reisen an Orten wie Island sammelt und in ihre Bilder einfließen lässt. Die vielfältige Palette warmer Farben, die vor allem Gelb-, Orange- und Rottöne umfasst, lässt wie ein sprühendes Feuerwerk an ein affirmatives Verhältnis zur Natur denken. Dieser Sinn von Wunder und Begeisterung durchzieht alle Bilder gleichermaßen. Dieses Verständnis von einer schöpferischen Kraft, die sich, wie das Auf- und Untergehen der Sonne oder der Wechsel der Vegetation, ständig im Wandel befindet, vermittelt Angelika J. Trojnarski durch das Auftragen der Farben in mehreren Schichten. Auf diese Weise entsteht eine Gleichzeitigkeit von Momenten und Szenerien auf der Leinwand, die durch weiche Übergänge alle miteinander verbunden zu sein scheinen. Neben Ölfarbe kommen dabei auch Sprühfarbe, Graphit und Papier zum Einsatz.
Aus den abstrakten Strukturen entwickeln sich manchmal konkrete Elemente. Silhouetten von in der Hitze flirrenden Bäumen oder die dunklen Baumkronen eines kühlen Waldes ziehen den Blick in die Tiefe, der dennoch an der Oberfläche haften bleibt. Vorder- und Hintergrund verschmelzen ununterscheidbar und simulieren wie die beigen Flächen, die erst auf den zweiten Blick sich als unbemalter Leinwandstoff herausstellen, ein Trompe-l’œil. Diese Stilmittel, welche die dynamischen Geschehen in den Bildern emotional erfahrbar, aber rational letztendlich unerschließbar machen, transportieren somit auch ein Gefühl der Unergründlichkeit, das mit der Faszination der Künstlerin für die Naturgewalten verbunden ist. Dabei beinhalten Angelika J. Trojnarskis Malereien in der Aussage, die sie über Naturphänomene und dem Verhältnis des Menschen zu diesen treffen, eine feine, zunächst gar nicht auffallende Ambiguität.
Die Zonen von flirrender Hitze, Flammen und Feuer, welche die Künstlerin durch die warmen Farbtöne und den fließenden, sich an manchen Stellen verdichtenden Farbauftrag konstruiert, rufen die sich stetig intensivierenden wiederkehrenden Wärmeperioden ins Gedächtnis, welche rund um den Globus zu verheerenden Waldbränden und bedrohlicher Trockenheit führen. Es sind andere, ebenfalls in der Ausstellungen zu sehende Werkserien als die Malereien, in denen sich Angelika J. Trojnarski konzentriert mit den Themen des Klimawandels und der Eingriffe des Menschen in die Umwelt beschäftigt. Dennoch besteht eine innere Verbindung zwischen beiden Werkgruppen, die etwa durch das dünne Auftragen von Rußspuren in den Malereien symbolisiert wird. Die Künstlerin weist damit auf die Tatsache hin, dass sich in unserer heutigen Sicht auf die Natur wohlmöglich Faszination und Schrecken nah beieinander liegen.
Diese Ambivalenz von Naturphänomenen, die sich nicht eindeutig in „schön“ oder „bedrohlich“ unterteilen lassen, ist das zentrale Thema der Serie Pyrocene (2022), die auf Grundlage fotografischem Materials entstanden ist und als Hauptmotiv gewaltige Rauchwolken beziehungsweise Fragmente dieser zeigt. Was man in diesen sich überlagernden, ausgeschnittenen Wolkensilhouetten sieht, erscheint zutiefst real, doch die Wolkenbilder sind digital verfremdet, indem die Künstlerin etwa aus wissenschaftlichen Aufnahmen oder Bildern aus dem Internet Ausschnitte selektiert und Farben hinzugefügt hat. So entstehen teils widersprüchliche Eindrücke, etwa wenn die Wolkenformationen in den Farben des Sonnenuntergangs leuchten oder auf einmal ein Stück blauer Himmel durchbricht und mit dem bedrohlichen Rauch kollidiert. Woher diese Wolken ursprünglich stammen, ob es sich um ein natürliches Phänomen oder einen durch Menschen ausgelösten Waldbrand handelt, lässt sich aus den einerseits ästhetisch beindruckenden andererseits auch nicht ganz harmlosen Collagen nicht ganz ableiten. Brandspuren an den Rändern der Fotografien vermitteln den Eindruck, das die Werksserie Pyrocene bei aller Faszination der Kraft des Feuers vor allem auf die Gefahren hinweist, welche ein viel zu heißes Klima, das schon jetzt nicht mehr aufzuhalten ist, mitbringen wird.
In einer anderen fotografiebasierten Serie untersucht Angelika J. Trojnarski die skulpturale Qualität gigantischer Rußwolken, die während Vulkanausbrüchen entstehen. Diese aus Staub und ausgeworfener Materie bestehenden Gebilde haben die besondere Eigenschaft, sich in rasanter Geschwindigkeit aufzutürmen, dann aber durch die Schwere ihrer Stoffe scheinbar erstarren und hinabsinken. Dieser täuschende Eindruck, etwas Taktiles, Stetiges zu bilden, hat die Künstlerin dadurch verstärkt, dass sie solche Ausbruchswolken von ihrer Umgebung isoliert und in ein hellblaues, neutrales Umfeld gesetzt hat. Vor diesem himmelsähnlichen Hintergrund stehen diese Formationen nun ganz für sich, eingefroren in einem Moment, als hätte man es mit einem fixem Objekt zu tun. Die Schwere der Wolken wird außerdem durch schwarze Brennspuren verstärkt, mit denen die Künstlerin in das fotografische Material eingegriffen hat. Die natürlichen physikalischen Kräfte der Natur, die etwa durch tektonische Plattenbewegungen solche Vulkanausbrüche verursachen, stehen in diesen Arbeiten die Eingriffe des Menschen in die Natur gegenüber.
Angelika J. Trojnarskis Malereien und Collagen schärfen durch ihre einzigartige und ambigue Ästhetik die Sensibilität gegenüber der Kraft der Natur, aber auch was es bedeutet, diese zu stören. In einem feinen Zusammenspiel aus Adaption und Reaktion arbeitet Michał Smandek in seinen Skulpturen, Installationen und Fotografien ebenfalls mit den Gesetzen der Natur. Anhand minimaler Eingriffe versucht der Künstler, die Umgebung eines spezifischen natürlichen Ortes oder Umfeldes, für deren Aufspürung er weite Reisen unternimmt, in sein Werk miteinzubinden. Ein Teil seiner Werke stellen auch Übersetzungen von Naturgesetzen, die er an einer bestimmten Stelle beobachtet hat, in skulpturale Ensembles dar. Für die Annäherung an seine subtile Methodik gibt eine Fotoserie, die in Chile und Bolivien, entstanden ist, ein gutes Beispiel. Was wir in Gerippe, (Atacama, Chile. 2016) zunächst sehen, ist eine Aufnahme der kargen Atacama Wüste, der blaue Horizont trennt genau in der Hälfte das Bild, in dessen unteren Teil sich eine schier endlose Steinwüste erstreckt. Inmitten dieses Panoramas durchzieht eine Formation aus filigranen silbernen Linien in der Form eines Bogens und eines offenen Dreiecks die Fotografie. Ihre Endpunkte verbinden den blauen Himmel und die Erde, indem sie die Horizontlinie durchbrechen.
Tatsächlich handelt es sich bei den silbernen Linien nicht um eine digitale Montage, sondern das Gestell von einem Zelt, welches der Künstler an diesem Ort aufgebaut und in einer spezifischen Perspektive fotografiert hat. Durch den Kamerawinkel wirkt die Installation zweidimensional, wodurch der Effekt entsteht, dass sie mit der umgebenden Landschaft verschmilzt. Die Intervention in der Wüstenlandschaft ist zurückhaltend und hinterlässt keine langfristigen Spuren, dennoch fordert sie den Blick maximal heraus, da sie sowohl mit der Logik des Sehens, die zwischen Zwei- und Dreidimensionalität gefangen ist, als auch mit der Logik dieses Ortes bricht. Michał Smandek fertigt seine Werke eigentlich sehr transparent an, weder verrätselt noch verdeckt er zusätzlich etwas. Dennoch stören die Fotografien dieser fragilen Zelt-Installationen wie viele seiner Arbeiten die Sehgewohnheiten und Erfahrungen der Betrachter*innen auf eine Weise, die kaum spürbar, aber da ist.
Einen weiteren solchen minimalen Eingriff hat der Künstler an einem sehr unwirklichem Ort, der Salzwüste in Bolivien vorgenommen, die eines der größten natürlichen Salzaubbaugebiete der Erde darstellt. In Move Work (Salar de Uyuni, Bolivia. 2016) durchtrennt der Horizont zwischen einem tiefblauem Himmel und einer endlosen, strahlend weiß wie Schnee glitzernden Salzfläche, erneut das Bild. In dieser menschenfeindlichen Umgebung hat der Künstler einen pyramidenförmigen Kegel aus Salz angehäuft, der die Silhouette einer weit entfernten Bergkette perspektivisch nach vorne holt und dessen Spitze neben dem Körper zu schweben scheint. Diese Installation verstärkt die surreale Atmosphäre des Ortes zusätzlich. Obwohl einem klar wird, dass diese schwebende Spitze wahrscheinlich über eine Unterkonstruktion gehalten wird, bleibt die beeindruckende Wirkung des Bildes, welche die unbegreiflichen Dimensionen und Verhältnisse der Salzwüste besonders hervorstechen lässt. In den Ausstellungsräumen ist die Pyramide mit der schwebenden Spitze mit Streusalz nachgebildet und hebt so die Distanz zwischen dem Ausstellungsort und der Salzwüste auf.
In Reaktion auf Naturphänomene fertigt Michał Smandek Skulpturen aus Stahl an, die im Gegensatz zu der Dichte und Schwere ihres Material sehr leicht wirken. Diese Leichtigkeit ist abgeleitet durch die sensiblen physikalischen Gefüge der Natur. Diese greift der Künstler etwa auf, indem er angelehnt an Wüstengräser, die durch die Bewegung des Windes Kreise in den Sand streichen, eine konkav gebogene Skulptur mit einem Zeichenarm anfertigt, der wenn er bewegt wird, ebenfalls ein kreisrunde Kohlespur auf dem Boden hinterlässt. Inspiriert von den Bewegungen und Geräuschen der Natur erscheint auch ein Stahlmast, um den sich stetig ein filigraner Draht dreht, dessen Kratzen an der Oberfläche des Stahlkörpers ein leises, monotones Surren erzeugt, das an das Streichen des Windes durch ein Grasfeld oder die Berührung von Gräsern an einer Hauswand erinnert. Der Künstler scheint so Phänomene, die es in der Natur zu beobachten gibt, anhand seiner Skulpturen in „unsere“ Welt zu übersetzen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie fantastisch die Gesetze der Natur tatsächlich sind.
Michał Smandeks profunde Beschäftigung mit den Erscheinungsformen der Natur zeigt sich besonders in den Werken, die mit einem Bienenstamm entstanden sind. Als unersetzbares Glied in der Ernährungskette des Menschen wird das Thema der Bienen vor dem Hintergrund des fortschreitenden Insektensterbens in den letzten Jahren immer wieder in Kunst und Literatur aufgegriffen. Mit Pyramiden aus (natürlich gestorbenen) toten Bienen und verlassenen Bienenwaben scheint auch die Arbeit Seele des Bienenstocks (2021) an die Gefährdung der Bienen anzuknüpfen. Eigentlich geht es dem Künstler jedoch um die Entschlüsselung der Sprache der Bienen und des Aufbaus einer Kommunikation zu ihnen. So hat er die Bienenwaben, die aus einem Kasten stammen, den Imker zur Honiggewinnung einsetzen, minimal manipuliert, so dass die Bienen auf eine bestimmte Weise ihre Waben gebaut haben, was zu einer speziellen, aber nie identischen Gestalt der Wachsstruktur geführt hat. Diese Reaktion der Bienen auf seine Vorgaben sieht der Künstler als eine Art Sprache, in der die Bienen mit dem Menschen kommunizieren. Diesen Ansatz verfolgt er auch in der Skulptur Bienenstandarte (2021), die aus gelöcherten Kunststoffnetzen besteht, die durch flüssigen Bienenwachs gezogen wurden und anhand der teilweise gefüllten, teilweise offenen winzigen Lücken des Netzes so eine Art Code bilden, welche die Bienen durch den Stoff, den sie zum Bau ihrer Waben verwenden, hinterlassen haben.
Das im Rundgang zuletzt zu sehende Werk „=“ (2018), das aus einem Ständer mit zwei über den Köpfen der Besucher*innen sich befindender Stahlplatten besteht, die nur durch ein Ensemble dünner Nadeln aufeinander lagern, die sich aber selbst außerhalb des Sichtfeldes befinden, zeigt trotzt aller ästhetischer Unterschiedlichkeiten die prinzipiellen Gemeinsamkeiten der Werke von Michał Smandek und Angelika J. Trojnarski. Denn beide setzen sich mit der begeisternden Kraft der Natur auseinander, versuchen aber auch die Fragilität des Gleichgewichtes ihrer Gesetze zu betonen. Michał Smandek zeichnet durch seine subtilen Eingriffe gewissermaßen den Takt dieser Gesetze nach. Angelika J. Trojnarski wiederum zeigt in ihren Malereien und Collagen die unbändige Kraft der Natur, die zunächst in voller Schönheit erstrahlt, aber auch zur Bedrohung werden kann, wenn der Mensch ihre Kreisläufe stört. Die Werke beider Künstler*innen zeigen aber auch, dass wir uns als Betrachter*innen dieser Gefahr und Fragilität zum jetzigen Zeitpunkt noch kaum bewusst sind. Aber werden wir in fünf oder zehn Jahren noch zu dieser unschuldigen Perspektive auf die Werke Angelika J. Trojnarski und Michał Smandek in der Lage sein? Oder werden wir dann etwas ganz Anderes in ihnen sehen? Es ist diese gewichtige Frage, welche die Ausstellung mit ihrem von der Kuratorin Monika Szewczyk klug gewählten Titel DAS ENDE WIRD DENNOCH KOMMEN, anstößt.