Verleihung der Reisestipendien —Kunstverein und Kunststiftung Sparkasse

Die Auszeichnung von jungen Menschen für ihre Projekte hat immer etwas Besonderes. Die plötzliche Aufmerksamkeit, die sie für ihre langen Bemühungen erhalten ist so neu, dass sie etwas etwas damit fremdeln, sich ins Szene zu setzen, keiner weiß wohin mit den feierlich verliehenen Zeugnissen. Diese Stimmung war auch präsent bei der Verleihung der insgesamt mit 6000€ dotierten Reisestipendien durch den Kunstverein der Rheinlande und Westfalen und der Kunst- und Kulturstiftung der Stadtsparkasse Düsseldorf an junge Studierende der Kunstakademie Düsseldorf, die sich durch besonders herausstechende Leistungen ausgezeichnet haben.

Das Treffen mit den Studierenden der Klasse Trisha Donnelly, des Projektkollektivs ,,ONEIRO“ der Klasse Prof. Dominique Gonzales-Foerster, und des Künstlers Nicholas Grafia, ebenfalls Klasse Gonzales-Foerster, welche allmählich in die barähnliche Halle der oberen Etage des Kunstvereines mit Blick auf den Grabbeplatz eintrudelten, war für mich in großen Teilen ein Wiedersehen. Bereits zwei Tage vorher hatte ich im Rahmen einer Führung mit der Direktorin des Kunstvereines Eva Birkenstock die Räume von ONEIRO und der Donnelly-Klasse besucht, in denen die Künstler*innen mit großem Einsatz und konzentrierter Hingabe ihre partizipativen Performances durchgeführt haben. Jetzt steht die Überraschung und Freude in ihren Gesichtern geschrieben, ein Teil der Anspannung des Projektes Rundgang scheint von Ihnen gefallen zu sein. Besonders schön für mich zu sehen ist, wie sie als Gruppe von Kumpanen das Glück untereinander feiern, gemeinsam eine als hochkarätig bewertete Leistung geschaffen zu haben.

Mit den Reisestipendien haben die Künstler*innen nun die Möglichkeit, hinaus in die Welt zu ziehen und den eigenen Horizont ihres Schaffens durch neuartige Auseinandersetzungen zu erweitern. Gerade diese Möglichkeit, ohne finanziellen oder leistungsbezogenen Druck zu neuen Ufern aufbrechen zu können, ist für junge Studierende ein oft schwer zu realisierendes Projekt, und ich finde es herausragend, dass der Kunstverein und die Sparkassenstiftung mit ihrem Preis schon seid fünfzehn Jahren eben diese Erfahrung völlig frei von Zielvorgaben oder Erwartungen ermöglichen. Diesem demokratischen, unterstützenden Ansatz entspricht die Methode der Auswahl der Preisträger*innen, die jedes Jahr quasi from scratch mit einem zehnstündigen Rundgangs – Scouting in der Kunstakademie durch die Jury aus Eva Birkenstock, der kuratorischen Assistentin Gesa Hüwe und dem Stiftungsgeschäftsführer Stefan Drzisga erfolgt. Kein Kunstwerk wird laut Eva bei dem Begutachtungsmarathon ausgelassen, auch wenn es gewisse Auswahlkriterien gibt, wie die besonders prägnante Bearbeitung gesamt-gesellschaftlicher aktueller Themen und Diskurse oder die Tatsache, dass eine bestimmte Klasse schon bei vorherigen Rundgängen durch ihre Ansätze aufgefallen ist.

Das Performanceprojekt des Kollektivs ONEIRO zählt in diese beide Kategorien. Besonders das hohe Niveau der Performance, die gleichzeitig verbunden ist mit der Realisierung einer atmosphärischen Raumgestaltung aus Licht, Sound, Interieur und partizipativen Modulen, hat die Jury überzeugt. Dem hellrotblonden Ticketverkäufer, der von einem fancy lila Tresen aus die Besucher in den versprechend mit der Glühbirnen-Überschrift ,,ONEIRO“ dekorierten Raum leitet, begegne ich bei der Verleihung im Kunstverein ebenso wie der jungen Frau, die im Look einer Cyborg-Weltraumprinzessin in dem hypnotischen Szenario des pink ausgeleuchteten und sphärisch betonten Raumkonzeptes in einer hallenden Siri-App Stimme Posts aus Onlineforen von einem Smartphone rezitierte. Die feine Ausarbeitung dieses performativen Projektes, dass durch ein präzises Ineinandergreifen verschiedener künstlerischer Beiträge und Performer den Besucher ganz in diese Umgebung eintauchen lässt, hat die Preisvergabe an die Künstler*innen Mira Mann, Sean Mullan, Fynn Ribbeck, Alexander Ruetten und Fabian Ruzicka angeregt.

Eine besonders pointierte, kreative Umsetzung gesamtgesellschaftlicher und politischer Fragestellungen als Realisierung verbundener Einzelelemente als Gruppe stellt auch das Raum- und Performancekonzept der Klasse Trisha Donnelly dar. Man betritt einen Bar-Raum, die eigentliche Theke ist eingerahmt von deckenhohen Stoffbahnen, die jede/r Student*in jeweils angefertigt hat. Das Skript dieses Szenarios ist einfach und doch weiß man als Besucher*in nicht, was man in dem mit den lackierten Fussboden samt Bank und Lilien versehenen Raum, angenehm von Klängen beschallt, wirklich tut, wenn man grünen Humus in Austernschalen, eine Speise, die attraktiv auf einem Screen vor dem Raum beworben wird, und Lose erwirbt. Tatsächlich ist der Verkauf von proteinhaltigen Speisen eine subtile Geste, die auf den der Menschheit in dreißig Jahren prognostizierten bevorstehenden Proteinmangel verweist. Die Erträge der Unternehmung sollen einen Vortrag des amerikanischen Künstlers Verne Dawson über die Einhorn-Wandteppiche in Paris finanzieren – daher die Stoffbahnen? Überlagernde Komplexitäten die von der Klasse in eine spezielle und dennoch erfahrbare Kommunikationsform gebracht worden, zeichnen auch dieses Gruppenprojekt von Israel Aten, Anna Budniewski, Lukas Goersmeyer, Andrew Christopher Green, Alyce Ford, Andrew Kennedy, Lukas Langghut, Laude Lee Yu, Simon Mielke, Yoora Park, Gianna Surangkanjanajai, Caner Teker und Anna Roy Winder Salling für den Preis aus.

Nicholas Grafia, der sich mit Fragen zu Identitäts- und Erinnerungskultur, queerer Subversion und Postkolonialismus auseinandersetzt, ist ebenfalls im Bereich Performance tätig, aber sticht als einziger Repräsentant des Mediums Malerei ein wenig aus der Gruppe der Preisträger heraus. Die auf dem Rundgang gezeigte Performancedokumentation zeigt auf drastische  Weise in einer befremdlichen, leicht überdrehten Szenerie marginalisierte Subjekte, mit denen er sich als Künstler selbst identifiziert. Im Fall von ,,The Accused Ones“ sind es von ihm, Mikolaj Sobzak und dem Drag Aktivisten Uel verkörperte Vampire und Zombies, die mit ihrem Auftreten als queer und starken, herausfordernden Gesten Geschlechts- und Identitätskonzepte unterlaufen. In seinen Malereien erscheinen verzerrte Selbstbilder, in den surreal anmutenden, von geisterhaften Gestalten bevölkerten Bildern werden die schmerzhaften und verwirrenden Fragen vom Verhältnis von Selbst- und Fremdwahrnehmung thematisiert.

Nicholas erzählt mir, er möchte das Preisgeld für eine Reise auf die Philippinen nutzen, die nebenbei die Heimat seiner Familie sind und wo er Teile seiner Kindheit und Jugend verbrachte. Stetig auf der Suche nach verdrängten, nicht erzählten Narrativen, wie er es selbst als Kern seiner Arbeiten zusammenfasst, möchte Nicholas das dortige für Minderheiten jeder Art heikle Terrain selbst erforschen und sich in die Szene der Ladyboys begeben. Eine Performance im Museum Ludwig Köln im Juli ist als Endpunkt des Projektes geplant, das, wie ich mit ihm diskutiere, bei allen künstlerischen Plänen vielleicht auch mit nicht ganz einfachen Erfahrungen verbunden sein wird. Good luck.

Die von mir beim Umtrug an eine Gruppe aus dem ONEIRO-Projekt gerichtete Frage, wie es ihnen so geht mit der Auszeichnung, überrumpelt die Studierenden ein wenig. So erkundige ich mich schnell weiter, wo denn die Reise hingehen soll. Venedig sei das Ziel, zusammen mit der Biennale im Mai und zwar als ganze Gruppe, eine konkrete Destination ist der Skulpturengarten von Nicci de Saint Phalle. Die Idee, die bei der Reise dann mitläuft, wird noch entwickelt, auch ein Projekt vor Ort können sich die Künstler*innen vorstellen. Aus ihrer Klasse kennen die Student*innen schon die Situation des Reisens als zentralen Bestandteil künstlerischer Recherche und Auseinandersetzung mit Orten und Theorien. Meine Anmerkung, ob nicht solche Gruppenprojekte wie die am Rundgang realisierte Performance den Nachteil eines Zurückstellen der eigenen künstlerischen Position hätten, wird, was ich schön finde, klar verneint. Durch den Entwurf eines Gesamtkonzeptes aus einzelnen Beiträgen hätte jeder seine individuellen Fähigkeiten besser kennengelernt und so neue Impulse für die eigene Entwicklung erhalten. Die gute Atmosphäre in der Klasse und das harmonische Arbeiten als Gruppe waren, wie sie es deutlich benennen, wertvolle Erfahrungen gegenüber dem konkurrierenden Einzelkampf manch anderer an der Akademie.

Nach einem letzten großen Pressefoto vor den Bannern des Kunstvereines und der Kunststiftung der Sparkasse wird es allmählich leerer im Saal. Viele müssen zeitig zurück zur Akademie, um wieder ihre Rollen in den Projekten einzunehmen und erneut für den Besucher ,,online“ zu sein. Ich unterhalte mich noch ein bisschen mit Eva Birkenstock über das Gemeinschaftsprojekt Kunstverein x Kulturstiftung und überlege dabei, was für eine schöne Kooperation hier schon, ein wenig unbemerkt, seid langer Zeit läuft, die junge Kunststudent*innen so unkompliziert fördert. Und dies ist eine Besonderheit des Preises, da das wachsame Auge der Kunstwelt in der Regel auf Absolvent*innen gerichtet ist, deren Laufbahn – und damit die Erträge der Auszeichnung –  sich konkreter einschätzen lassen. Hier aber werden Studierende mitten in dem für sie wichtigstem und herausforderndstem Projekt des Jahres mit einen großen Geschenk belohnt, das ihnen etwas bietet, das viele Stipendien, in der Regel verbunden mit einer gewissen Erwartungshaltung, so nicht hergeben: Freiheit.

 

Reisestipendium 2019  |  © Sparkasse Düsseldorf Kunst- und Kulturstiftung

Reisestipendium 2019  |  © Sparkasse Düsseldorf Kunst- und Kulturstiftung

Oneiro, Rundgang 2019  |  © Sparkasse Düsseldorf Kunst- und Kulturstiftung

NICHOLAS GRAFIA, „The Accursed Ones“ (2018), HD-Video  |  © Sparkasse Düsseldorf Kunst- und Kulturstiftung

KLASSE DONNELLY Rundgang 2019  |  © Sparkasse Düsseldorf Kunst- und Kulturstiftung