Hedda Schattanik und Roman Szczesny - Förderpreisträger der Landeshauptstadt Düsseldorf 2019—Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen

Durch ihre ästhetisch eindringlichen, von der Erkundung ferner Sphären erzählenden Bilder erscheinen die Videoarbeiten von Hedda und Roman wie Träume, die man immer wieder zurückspult, um eine Logik in ihnen zu finden, von denen aber nichts bleibt als die Intensität einzelner Momente. Was man in den durch ihre visuelle Opulenz beinahe cineastischen Kurzfilmen begegnet, sind ähnlich wie in Träumen, einzelne undurchdringlich ineinander verflechtete Gedanken und Visionen aus den Weiten eines schöpferischen Unterbewusstseins, das als unendlicher kreativer Kosmos allen Arbeiten unterliegt. In der Ausstellung im Kunstverein der Rheinlande und Westfalen gelangen im Rahmen einer drei  aktuelle Videoarbeiten von Hedda und Roman gegenüberstellenden Rauminstallation die den Werken unterliegenden Ideen erstmals an die Oberfläche und geben einen Einblick in die inhaltlichen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Arbeiten. Der hier einsichtbare Kosmos öffnet sich jedoch nur an einer kleinen Stelle, denn seine Entwicklung, welche hauptsächlich von einem durch Hedda ständig erweitertes Narrativ gesteuert wird, folgt keinen linearen Regeln. Auch wenn es Andeutungen gibt, dass sich irgendwann mal alles in einer zusammenhängenden Erscheinung zeigt, wäre es auch nicht absonderlich, wenn sich seine Schauplätze und Charaktere nie ganz treffen.

Die Videoarbeiten von Hedda und Roman, welche durch die Meisterhand Romans auf der Ebene der digitalen Bildverfahren eine einmalige Komplexität aufweisen, vermitteln sich im Wesentlichen durch die Bildwirkung. Die in Stills von natürlichen und inszenierten Szenen und Umgebungen in den Videoarbeiten zusammengeschnittenen Bilder sind von unglaublicher,  dekadenter Schönheit. Die Farbintensität ist bestechend, Alles, was die Kamera in meist ruhigen, abtastenden Bewegungen aufnimmt, Gegenstände, Personen als auch Handlungen, erscheint, wie auch die Sprache, durch und durch ästhetisiert. Durch diesen konzentrierten Fokus auf die intrinsische Ausstrahlung von Materie, Räumen oder Natur, wirken die Arbeiten von Hedda und Roman wie verfilmte Stilleben, jene prächtige barocke Meisterwerke, die an Reichtum der Schöpfung überborden und doch im Kern an die Vergänglichkeit erinnern. Die beiden Videoarbeiten, die im Hauptraum der Installation zu sehen sind, sowie eine in einem eigenen Raum gezeigte Arbeit, entstammen jeweils unterschiedlichen Schauplätzen oder Austragungsorten der Ideenwelt der Künstler*innen. Die das gesamte Werk durchziehende Atmosphäre der bezaubernden Bilder vereint sie.

,,Apartment Monologue“ (2019) ist eine ruhige, meditative Kamerafahrt durch eine abgedunkeltes, verlassene Ein-Zimmer Wohnung. Ob Tag oder Nacht ist, lässt sich nur an dem Licht ableiten, das an Stellen in Punkten durch die Jalousie fällt. Allerlei verstreute Alltagsgegenstände sprechen davon, dass das Apartment mit seinen sytlischen Möbeln und weichem orangen Teppich bewohnt ist. Und dennoch schwebt schwer eine Stimmung des Verlassen-Seins über der ganzen Szene, die die Kamera mit fast forensischen Blick Gegenstand für Gegenstand, Raumecke für Ecke wiedergibt. Eine weibliche Stimme in der Rolle des allein gelassenen Apartments erzählt in Trauer von einer zerbrochenen Liebesbeziehungen und dem Vermissen der Aufmerksamkeit des Partners. Dieses in der Arbeit thematisierte universelle Gefühl, jemanden verloren zu haben, der sich um einen sorgt, ist Hedda in der Kunstwelt begegnet, wo junge Talente schnell umarmt und im nächsten Moment wieder fallen gelassen werden. Die durch die Abschirmung vom grellen Licht der Aussenwelt auch irgendwie friedlichen Bilder des verlassene Apartments und seiner Stimme als Bewältigung des Vergessen-Werdens werden ergänzt durch leuchtend-melancholische Naturaufnahmen, flirrende Bildschirme und Soundgeräte, ein von blutiger Hand zerschlagener Bilderrahmen, observierenden Computeraugen und weiteren Rätseln.

In barocker, an ein Stilleben erinnernder Szenerie – dunkler Hintergrund, ein Tisch mit einem Gedeck mit exotischen Früchten und einem Messer davor – sinniert eine Person in ,,Versailles – ein zeitgenössisches Gehirn“ (2019) – es handelt sich um Hedda, auf deren Gesicht das Antlitz von Christian Bale aus ,,American Psycho“ montiert ist – über das Schloss Versailles und seine nach Göttern benannten Räume. Das Schicksal des Malers der Deckenmalereien, aus Überforderung Selbstmord begonnen zu haben, bewegt den immer wieder Inne haltenden Erzähler merklich. An ein ,,zeitgenössisches Gehirn“ erinnere Versailles mit seinen gesellschaftliche Konventionen aufbürdenden Labyrinth von Räumen. Das Philosophieren über historische Gesellschaftsordnungen wird abgelöst von einer Philosophie der stillen Bilder. Arrangiert auf einer aus der Dunkelheit hervortretenden Tafel nimmt die Kamera eine Komposition leicht makaber anmutender Gegenstände in den Fokus, darunter ein Tierschädel und ein in Kunstoff präservierter Singvogel. Am Ende reiht sich alles in einer Gesamtansicht zum Bild eines Stillebens. Die visuell wie erzählerisch opulente Arbeit lässt den Betrachter in einem ambivalenten Moment zurück, wo er sich zwischen purer Schönheit und dahinter liegender Schwere nicht entscheiden kann.

Die jüngste, sich noch im Projektstatus befindende Videoarbeit ,,amor fati“ (2019) in Kurzfilmlänge, benannt nach einer Maxime Nietzsches, vereint in sich verschiedene Ebenen der Referenz aus den Bereichen der Philosophie, Erkenntnislehre, Literatur, Medienreflexion und Metaphysik. Irgendwo in der Tiefe geht es entsprechend des Titel des Projektes ,,amor fati“ – der Liebe zum Schicksal – um die Annahme und dem Nachstreben nach der Schönheit, wie die Welt sie einem eröffnet. Der ewigen Wiederkehr des Gleichen sollte man bejahend gegenüber treten, sich selbst in das kosmologische Ganze einordnen und danach sein Selbst erschaffen. Protagonistin der aus ästhetisch beeindruckendem, ephemerem wie rätselhaftem Bildmaterial bewegend-kontrastreich zusammengeschnittenen Videoarbeit ist die reiche Erbin Elisa H., eine der Leitcharaktere des Werkskosmos. Elisa H., die den Betrachter in ihrer Erzählung an ihren Gedanken teilhaben lässt, begegnet einem in ihrer abgedunkelten modernistischen Villa aus schier endlosen Gängen, in der eine ebenso unendliche Anzahl an Kunstobjekten aus ihrer Sammlung angebracht ist. Die von Nietzsche erkannte Wiederkehr des Gleichen verleitet sie zu keinerlei positiven Seins-Form, sondern einer Einsiedlung vor dem Weltzustand, umgeben vom Prunk der Kunst fällt Elisa H. in eine an Ohnmacht grenzende Sentimentalität.

Zu den beeindruckendsten Szenen in ,,amor fati“ zählen neben Naturaufnahmen im warmen, untergehenden Sonnenlicht die aus dem Dunkel des Nichts entgegen schwebende, vor den Augen des Betrachters zerberstende berühmte Laokoon-Gruppe des Trojanischen Priesters in seinem Kampf mit der Schlange sowie eine sich ins Unendliche vervielfältigende maschinenähnliche Formation aus Wolken tausendfacher goldener schneckenartiger Windungen oder Zapfen. Was man noch erfährt, ist, dass das Zerbrechen der Statue den Bruch symbolisiert, den Hedda und Roman in ihrem Werk mit der an diesem Kunstwerk diskutierten These vollziehen, Literatur und Kunst wären in ihrer Weltansicht unvereinbar. In ,,amor fati“ passiert alles gleichzeitig, jeder Moment oder Gedanke, jedes Bild lässt sich jederzeit mit anderen bündeln und in neuartige Richtungen erweitern. Die Arbeit ist somit gekennzeichnet durch das tiefe Bestreben Heddas und Romans, in ihrem Werk existentielle Erfahrungen und Fragen des Menschlichen Seins und der Ordnung der Welt und der Dinge zu behandeln und über die Macht der Bilder zu einem Nachdenken jenseits der üblichen Bahnen anzuregen.

Einen einmaligen Einblick in den allen Arbeiten unterliegenden Ideen-Kosmos ihres Werkes geben Hedda und Roman durch ein Panel ,,David gegen Goliath“ (2019), auf dem in zeichenhafter Form in Bild und Schrift Gedanken, Charaktere und Handlungsebenen ihrer Arbeiten zu einer Gesamtcollage kombiniert festgehalten sind. Aus einer dunklen Vulkanlandschaft erheben sich aus dem stechend bunten Tintenstrahl Dibond-Druck einzelne Fragmente des sich in ständiger Wandlung befindenden Skriptes, aus dem die Arbeiten entstehen. Man findet darin Zeichen oder Zeichnungen, welche hinweisen auf die momentanen Hauptcharaktere, die bereits erwähnte Elisa H., das aufsträubende Mutige Kind, und den wütenden P., repräsentiert durch schwarze Punkte, die sein verschlossenes Antlitz wiedergeben. Daneben huschen Flügel durchs Bild, ein Mondzyklus aus ,,Cookies“ spielt sich ab, doppeldeutig auftretende ,,Datenkekse“, Eruptionen aus Feuer brechen die Szenerie auf, vor die Teile von Statuen und Blumen gefügt sind. Unter der Oberfläche der einzelnen Arbeiten von Hedda und Roman rumort es heftig. Der Zustand einer Urmasse, aus der Ideen und Assoziationen wie Lava ständig unkontrolliert ausbrechen, soll, wie es erscheint, erhalten bleiben.

Als eine Erweiterung der Arbeiten in den Raum fungiert – ebenso labyrinthisch und surreal – ein auf dem Boden aufgebrachtes Raster aus in Regenbogenfarben lackiertem Ton, welches das Bewegen im Raum ein Stückweit reglementiert. Als spielerischer Kontrast zu der von Roman genial dirigierten High-Tech Oberfläche der Videos, macht das den Raum zum schöpferischen Planfeld transformierende Gitter durch seine Ausstattung sowohl mit bunten Nelken als auch klaffenden Wunden jenes sich sowohl aus Schönheit als auch Schmerz speisendes Dazwischen erfahrbar, welches die Arbeiten von Hedda und Roman bestimmt. Die Absicht, ihrem Werk durch die Bodenskulptur ein Raster aufzuerlegen, wird nicht eindeutig bestätigt, sondern ist wie Vieles, Produkt allegorischer Umdeutungen. Die Inspiration zu der Bodenskulptur stammt aus einem Traum Heddas und lässt sich so wieder nirgendwo eindeutig zuordnen. Farbliche Akzente im Raster greifen in ihrer Farbigkeit das Farbspektrum der Arbeiten auf, so dass seltsame Schnittstellen zwischen der Welt der Videos und dem von der Bodeninstallation definiertem Raum entstehen, die einen wundern lassen, wo man sich nun tatsächlich befindet. Diese Frage des Ortes und des Bezuges – wo befinde ich mich gegenüber den Schauplätzen, die sich in diesem Kosmos aufbauen – stellt sich immer wieder in der Begegnungen mit dem Werk von Hedda und Roman. Diese Erfahrung, woanders gewesen zu sein, wie man es vom Schauen von Science-Fiction Filmen kennt, von denen man doch weiß, dass diese ganze Welt künstlich geschaffen ist, offenbart sich dem Betrachter im Kunstverein der Rheinlande und Westfalen durch eine Aufdeckung des Werks-Unterbewusstsein und dessen Überführung in den Raum auf bisher einmalige Weise. Neue Dimensionen im Werk von Hedda und Roman eröffnen sich eruptionsartig am Horizont.

 

Hedda Schattanik und Roman Szczesny – Unterhaltung auf Kosten eines Traurigen, Installationsansicht Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen Düsseldorf (14. Dezember 2019 bis 26. Januar 2020)  |  Fotos: Katja Illner

Hedda Schattanik und Roman Szczesny – Unterhaltung auf Kosten eines Traurigen, Installationsansicht Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen Düsseldorf (14. Dezember 2019 bis 26. Januar 2020)  |  Fotos: Katja Illner

Hedda Schattanik und Roman Szczesny – Unterhaltung auf Kosten eines Traurigen, Installationsansicht Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen Düsseldorf, (14. Dezember 2019 bis 26. Januar 2020)  |  Fotos: Katja Illner

amor fati, 2019  |  © Roman Szczesny

amor fati, 2019  |  © Roman Szczesny